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  Andreas Moersener, Lippstadt
Dr. Erich Franz, Münster
Anne Sträter, Soest 
Dr. Erich Franz, Münster
Dr. Tayfun Belgin, Hagen
Dr. Tayfun Belgin, Dortmund
Überblick 1986-2012


 

 

 
 
  MARKUS KRÜGER: PROZESS- UND ZUSTANDSPROTOKOLLE  
   
   
   
   

Markus Krüger studierte an der Fachhochschule für Design in Münster bei Professor Wolfgang Troschke. Die Schärfung der Wahrnehmung für ungewohnte Ereignisse, sowohl konzeptuelles, als auch informelles Vorgehen, ungewohnte Zustände und schwierig fassbare Prozesse mag hier schon initiiert oder sensibilisiert worden sein.

Markus Krüger geht „methodisch“ jeder Methode misstrauend aus verschiedenen Perspektiven seine Sujets und künstlerischen Themenkomplexe an. Die Konzentration liegt dabei auf Vorgängen in der Natur, denen das Prozessuale wesentlich zu Eigen ist. In dieser Auseinandersetzung mit dem Prozessualen produziert er multimedial angelegte Zustandsprotokolle, die er - je nach Motiv oder Thema - in den neuen Arbeiten zu höchst lyrischen Installationen zu arrangieren und zu verdichten weiß.

Die 13-teilige Wand-Installation „Kyrill“ besteht aus Tuschezeichnungen, Fotografien (3-teilige Fotofolge), Fotogrammen, Kreide-Mischtechniken, Fundstücken (Sturmholz- Astgabel vom Holzbruch beim Sturm Kyrill 2006), Fragmenten (Atelierfußboden), einer Texttafel und Artefakten (Kunstharzscheibe). Markus Krüger gelingt es, die Unübersichtlichkeit, Bedrohung und Unvorhersehbarkeit des europäischen Sturmereignisses Kyrill multimedial in seinen verschiedenen Facetten prozessual (in der Fotoserie) und konstatierend (in Fundstücken und Tuschezeichnung) zu umreißen, so dass das wandernde Abtasten des Betrachterauges dieses komplexen und multifokalen Arrangements hilft, Kombinations- und Assoziationsvorgänge in seiner Vorstellung zu evozieren.

Andreas Moersener
 

Städtische Galerie im Rathaus, Lippstadt

  (anlässlich der Ausstellung Lippstadt AKUT2013 )
 
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MARKUS KRÜGER: BILDER DES UNFIXIERBAREN
 
  Seit 1995 verfolgt Markus Krüger eine Arbeit an der Größe der Natur, an ihrer Unfasslichkeit im Kleinen, ihrer unbegreiflichen Dauer im Momentanen, im Erleben der Spuren und Zeitschichten. Er hat sich ein Untersuchungs- und Erfahrungsfeld erschlossen, in dem die Geschichte, die unendlich vielen Geschichten der Natur sich auftun, einen Steinbruch, den er an Tagen, an denen dort nicht gearbeitet wird, erkundet – in seiner uralten Gleichgültigkeit, in den übermenschlichen Dimensionen, die hier aufbrechen, spürbar noch an den kleinsten Rissen im Stein, an den Ablagerungen des stehenden Wassers, an den Geräuschen in der Stille. Krüger versucht nicht das Unmögliche, die Natur darzustellen, sondern er bringt seine Reaktionsweisen, das Erleben von Momenten und Dauerndem, die Gespanntheit in der Stille, die Registrierungen des Unerwarteten, die Überraschung vor dem Gegebenen, vor dessen Fremdheit, ins Bild. Zunächst hatte er Beobachtungen protokolliert, flüchtige Notizen, kleine Zeichen, in unterschiedlichen Richtungen aufs Papier gebracht. Außerdem hatte er fotografiert – schwarzweiß: Spuren, Fragmente, Schatten, Lichtränder, Momente. [s.: "Markus Krüger – Steinzeiten", Ausst.-Kat. Kunstverein Lippstadt 1998, mit einem Text von Tayfun Belgin.]
  Die sensiblen Oszillationen dieser Protokolle, das augenblickliche Reagieren, das Getriebene, schnell Weitergleitende, die Markierungen von zeichenhaften Ruhepunkten – all das übertrug Markus Krüger auf seine Schriftbilder, entstanden 1996–2002, mit Tusche auf Leinwandflächen „geschrieben", schnell, vibrierend, sich überlagernd – Spuren, die keine Korrekturen zuließen. Das Auge bewegt sich durch flimmernde Schichtungen unterschiedlicher „Schreib"-Verläufe hindurch, es findet rhythmisch sich wiederholende Zeichen , Keile, Zählstriche, und es orientiert sich an eingekreisten Ruhepunkten, bisweilen sogar an einer offenen Stelle, einem kleinen „Platz", von dem aus der Blick gleich wieder weiter springt zu ähnlichen Zeichen. Jedes dieser Bilder hält einen eigenen Rhythmus durch, der in ihm sehr unterschiedlich zusammengewachsen ist: gleichmäßig ausfüllend, flüssig verschwimmend, bis hin zu dramatischen Kontrasten zwischen nachdrücklich weitertreibenden Strömen und sich dagegen stemmenden Verfestigungen.
  Gleichzeitig entstanden Gemälde, in denen Krüger die unruhig changierende Farbigkeit seiner früheren Bilder weiterführte, die er nun aber über die gesamte Fläche ausbreitete, so dass im Bild nichts mehr abgrenzbar bleibt. Alles ist Fließen, Aufleuchten und Versinken, flimmernde Verwandlung und damit gleichzeitig Erde (Erdverschiebung ist ein Titel von 1998) und Licht. Der wellige Duktus, die immer neu ansetzenden Pinselspuren treten hervor und überführen Impulse der Schriftbilder in die Malerei. Die Unfasslichkeit, das Momentane, die Intensität des Flüchtigen bestimmen auch hier die bildnerische Thematik. Strömung, Licht, Rodung sind Titel dieser Malerei, die sich bis heute noch fortsetzt und die ihre flimmernde, aufscheinende, gerichtete und doch zugleich ruhige, von einem inneren Rhythmus gebändigte Unfasslichkeit weiterhin steigert. top
  Immer wieder ist Krüger vom Phänomen der Wellen fasziniert, ihrer blitzenden und rhythmischen Verbindung von Materie und Licht. In mehreren Zeichnungen bezieht er das Weiß des Papiers als positive Zwischenräume mit ein, die in die flirrenden „Wellenkämme" eindringen und eine erstaunliche Einheit von huschender Nervosität, großzügigem Rhythmus und meditativer Zuständlichkeit herstellen. Elemente der früheren Schriftbilder und Texturen tauchen in diesen neueren Zeichnungen auf, die schnellen Impulse, die markanten Wiederholungen, die Schichtungen und die strukturelle Einheitlichkeit, die in jedem Blatt eine andere ist und jeweils mit großer Konsequenz durchgehalten wird. Doch verfließen diese Elemente in den neueren Zeichnungen mehr ineinander, wirken weniger sperrig und steigern damit erstaunlicherweise sowohl ihre Gegensätzlichkeit wie ihre Einheit. Auf einer Skizze, in der Krüger im Areal einer Auenlandschaft Verbindungsstrukturen und Landmarken festhält (ohne ihnen Festigkeit zu geben), notiert er: „Raum zwischen den Wolken / Ausschnitt aus Zeit / greifbar nah – unendlich weit / gefühlte Bewegung." Hier wird noch einmal deutlich, wie die Natur nicht als objektive Gegebenheit, sondern allein als subjektive Erfahrung aufgefasst wird – und wie zugleich diese Subjektivität nicht vom Persönlichen bestimmt wird, wie sie nicht auf das Emotionale oder Expressive gerichtet ist, sondern wie sie sich ganz auf das Außen konzentriert, auf Aspekte und Momente in der Natur, auf ihre unfassliche Intensität als Erlebnis.
  In all diesen Protokollen, Schriftbildern, Gestaltungen von Eindrücken der Steine, der Erde, der Pflanzen, der Geräusche, des Wassers, der Wolken spielt Zeit eine zentrale Rolle. Nicht das Bleibende (das es in der Natur nicht gibt, auch wenn die Kunst, sobald sie Natur abbildet, es immer wieder anders suggeriert), sondern das kurz Aufscheinende, gerade Erlebte (wozu auch die scheinbare Dauer von steinernen Schichten gehört) wird zur bleibenden, unvergesslichen Wahrnehmung. Die Zeit, spürbar an den unterschiedlichen Arten des Wandels, gehört unmittelbar zu dem, was wir als Wald, als Wasser, als Pflanzen, als Licht erleben. In faszinierender Weise hat Krüger sie auch in die Fotografie einbezogen, die er schon seit langem neben seiner Malerei zur Erkundung des Eindrucksvoll-Flüchtigen einsetzt. Im Jahr 2002 stellte er die Kamera auf einem Stativ in einen Wald und richtete sie auf Bäume, deren Äste sich vor dem Himmel im Wind bewegten ( Zeitengang 2 ). Durch Gegenlicht und lange Belichtungszeiten zeichneten sich auf dem Schwarzweißfilm kurvige Verwischungen ab, welche die Illusion eines festgehaltenen Abbildes zu fächerartigen Strömen verwandeln und die aufstrebenden Bewegungen der Stämme und Zweige auflösen und immateriell durchdringen. Die rhythmische Reihung dieser Fotoabzüge zu einer Sequenz erzeugt eine weitere gestaltete Unfestigkeit für den Blick, der von Bild zu Bild weitereilt, ohne dabei einen filmischen „Ablauf" zu finden. Parallel dazu trieb Krüger mit zeichnerischen Mitteln auf Papier und mit Acryl auf Karton in vielfachen Schraffuren ganz ähnliche, sich steigernde Schwünge voran, die wieder Eindrücke der Natur in bildnerische Prozesse übertragen. top
  In den letzten Jahren führte Krüger einen anderen Aspekt zeitlicher Dynamik in die Fotografie ein, den einer subjektiven Veränderlichkeit und sich wandelnden Ausrichtung. In den Farbfotos der MC-Serie (2006–2010) benutzt er den Fotoapparat wie eine Videokamera und bewegt das geöffnete Objektiv innerhalb von zwei bis sechs konzentrierten Sekunden ganz gezielt in Bezug auf das Objekt – auf die Farbe. Dabei steuert er sehr genau den Lichteinfall auf der lichtempfindlichen Fläche und regelt die Verteilung der markanteren und flüchtigeren Eindrücke, ihre Verlaufsformen und ihre Anordnung im Bild. Diese visuellen Vorgänge gestaltet er ganz ohne digitale Effekte: eigentlich zeichnet er sie nur auf, er manipuliert sie nicht. „Man ist selbst mitten drin", sagt er zum Prozess der Aufnahme. Das gilt auch für den Betrachter. So atmosphärisch, unfest und verschwommen diese Fotografien auch wirken, sie strahlen doch eine sehr bestimmte Lichterscheinung, Farbentfaltung und Helldunkelstimmung aus. Man erfährt diese Bestimmtheit nicht als Form, sondern als Bewegung, und entsprechend erkennt man weniger das gegenständliche Motiv, eine Blume, ein pflanzliches Motiv, sondern eher eine besondere Ausbreitung und Konzentration der Farbe, des räumlichen Halbdunkels, der langsamen oder rascheren, sich verdichtenden und expandierenden Vorgänge des Lichts. Was wir von der Natur erfahren, ist nichts als Erscheinung und Eindruck. Erstaunlich ist dabei, wie eindrücklich dieses Erscheinen ist, obwohl – oder gerade weil – es auf die Illusion einer objektiven Festigkeit und „Schärfe" verzichtet.
  Markus Krüger fixiert in seinen Malereien, Schriftbildern, Zeichnungen und Fotografien die Unfixierbarkeit der Natur, ihre Unfassbarkeit, ihre unendliche zeitliche Dynamik. Seine Bilder suggerieren das Unbildliche: Bewegung, Verwandlung, Fragmenthaftigkeit. In der 14-teiligen Fotoserie Zeitengang 11 von 2011 erweist sich die „gefrorene" Ruhe, die in Krügers Bildern ganz ungewöhnlich ist, als Durchdringung vielfältiger Vorgänge: Die dunklen Formen im weißlichen Umfeld zeigen Ausgleichsprozesse zwischen Frieren und Tauen an, zwischen kristallin vereister Oberfläche und flüssiger Tiefe, in der minimale pflanzliche „Wärme" die dünne Decke der Reifkristalle auf der Eishaut gerade eben zum Tauen bringt. Das Positive wird negativ, das Flächige räumlich, die Form wird zur Bewegung. Bei der digitalen Bildbearbeitung, die sich lediglich auf die Verfahren der analogen Fotografie beschränkt, hat Krüger bei einigen Abzügen durch Solarisation die weißlichen zu schwarzen Partien verwandelt und damit ihr Figur/Grund-Verhältnis noch einmal umgekehrt. Keine Form erscheint bleibend, jedes Sehen wird momentane, weiterreichende, den Halt verlierende und eben darin ein Erkennen findende Bewegung.
  Erich Franz
  (Katalogtext zur Ausstellung Zeitengang im Gustav-Lübcke-Museum Hamm, 2011)
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  ZEITENRAUM  
   
   
   
   

Im Atelier des Künstlers gerät man in eine staunenswerte Welt von sorgsam eingelagerten Installationen, vielteiligen Bilderzyklen und Prüfstücken künstlerischer Auseinandersetzungen, die bei aller Gegensätzlichkeit stets eine Handschrift zeigen: Präzise Denkvorgänge werden in eine makellose Form gegossen. Markus Krüger ist ein bildender Künstler, der ein Thema so lange bearbeitet, bis er dessen Inhalt und Form ausgelotet und ein für ihn selbst akzeptables Ergebnis jenseits bereits etablierter Stilmittel gefunden hat. Danach sucht er nach neuen Lösungen für Inhalte und Themen, die sich ihm stellen.

Der von Krüger geprägte Begriff Zeitenraum definiert die inhaltliche Dimension seiner Fotoarbeiten der aktuellen Werkphase. Diese aufgezeichneten Bildstrukturen entstehen durch den Zeitablauf, in dem der Künstler sein Motiv "umkreist" und dabei mit einer langen Belichtungszeit digital fotografiert. Die so entstandenen Bilder bleiben, wie sie sind, und werden nicht computer-technisch weiterbearbeitet. In Sekunden entsteht ein Bild von zunächst unerklärlicher Struktur; in seiner Farbigkeit geheimnisvoll und von besonderem ästhetischen Reiz.

 
Anne Sträter, 2008  
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  Markus Krüger geht keinen durchgehenden Weg, den er sich einmal festgelegt hat, sondern erfindet auf immer wieder neue Weise, was eigentlich ein Bild sein kann. Hier sind es Fotos, die eben das zum Thema machen, woraus Fotos immer bestehen, nämlich aus Reaktionen des Lichtes auf einer Fläche. Auch sie stellen nicht dar, sondern erzeugen etwas - Räume, Ausweitungen, Fantasien und zwar eben dadurch, dass sie das Begrenzte und damit Identifizierbare auflösen.  
Erich Franz, 2007  
 
 
 
 
 
 
 
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DER ORT, AN DEM STEINE SPRECHEN - DIE MAGISCHE WELT MARKUS KRÜGERS
 
    Wie eine Botschaft aus einer anderen, uns nicht bekannten Welt liest sich die erste Niederschrift Markus Krügers "Dezember 1995 erste Begegnung mit unbekanntem Terrain / Gefühle von Unsicherheit / Neugierde / erste Erkundungen ..."
Was für eine Welt sich für den Künstler vor einigen Jahren auftat, klingt - heute gelesen - wie der Beginn einer Expedition, einer Suche mit bestimmtem, möglicherweise auch unbestimmtem Ziel. "Monate sind vergangen seit der ersten Begegnung / magischer Ort / immer wieder fasziniert / faszinierter als zuvor..."

Unweit vom eigenen Atelier fand der Maler, Zeichner und Photograph eine faszinierende materielle Welt, die er zum ersten Mal im Kunstverein Lippstadt vorstellt. Die "Überwelt", der der Künstler vor einiger Zeit begegnete, existiert auch heute noch und ist zu lokalisieren: südlich von Lippstadt zwischen Erwitte und Anröchte.
Seit Dezember 1995 verlegte Markus Krüger sein Atelier oft nach draußen, beging, wie eine große Zahl von Photographien zeigt, immer wieder seinen "magischen Ort", um sich dem auszusetzen, was ihn seither bewegt: Das Beobachten einer stillen, doch gewaltigen Gebär- de, die in dieser Eindringlichkeit nur möglich ist in einem Niemandsland, ohne Menschen, Maschinen und Zeit - in der Lautlosigkeit. Der "magische Ort" als eine Ansammlung materiel- ler, visueller und emotionaler Werte, ein Ort, an dem die Steine sprechen mögen, eine Welt, in der Stille und Spannung gleicherweise existieren. Und so bemerkt der Künstler: "Drehung / Lichteinfall / Lichtbewegung über dem Dunkel / mediterranes Grün / Verschiebungen / horizontaler Spalt / wandernde Schatten / Überlagerungen / Geräusche im Boden aus Zeit / herabsinkende Dunkelheit / Wolkenjagen / Einsamkeit ...".

Die "Steinzeiten" begannen für Markus Krüger nach Feierabend der am "magischen Ort" Arbeitenden - am Wochenende, vornehmlich sonntags. Bis zur Mitte der 90er Jahre bezogen sich Krügers Arbeiten vor allem auf die Gestaltung von Bildfläche; seine großformatigen Arbeiten in Mischtechnik strukturierten die Bildtotalität im Modus einer gestisch-malerischen Bildsprache. Diese formal-ästhetische Bildwelt hat nun in den letzten Jahren eine zusätzliche inhaltliche Dimension erhalten, nämlich die Spurensuche. Die Ausstellung im Kunstverein Lippstadt dokumentiert dies in eindringlicher Weise: Neben Gedankenprotokollen finden sich in ihr Zeichnungen, Materialbilder, Schriftbilder, rein malerische Werke, ein Großblock mit Photographien sowie ein gewaltiges Ensemble aus Steinen. Die Protokolle entstanden im Steinbruch vor Ort ebenso wie die Photographien, während die Zeichnungen und sonstigen Bilder ihre Entstehung dem Atelier verdanken.

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    Die fünfteilige Arbeit "Begegnung", die 1994/95 datiert ist, steht am Anfang der neuen Werkphase. Sie deutet schon an, was zukünftig kommen wird. Diese Malerei bezieht ihre Spannungsmomente aus der Synthese von Farbe und Linie. Das Farbspektrum ist reduziert, in ihm finden sich graue, ockerfarbene, sienabraune, weiße und schwarze Werte. Die Flächen werden - wie in den frühen Bildern Krügers - aufgebrochen und unterliegen einer starken linearen Struktur: Bewegung durch den Strich, Aktion im Bildgesamt.

In der aktuellen Arbeitsphase entstanden Ende Dezember 1995 und Beginn 1996 Arbeiten auf Leinwand und Papier, in denen eine neue Entwicklung sichtbar wird: malerische und graphische Elemente werden zur Schrift zusammengefügt. Radikalisiert wird diese Tendenz in Krügers reinen Schriftbildern. Ausgehend von den im Steinbruch entstandenen Aufzeichnungen beanspruchen sie jedoch auch Autonomie als kontextunabhängige Werke, in denen sprachlich Nachvollziehbares oder auch "sprachlose" Schrift- fragmente alleinbestimmende Bildkategorien sind.

Parallel zu den Schriftbildern finden sich solche Werke, die eindeutig zum Kontext Steinbruch gehören. In der Erinnerung an das Gesehene werden hier vertikale, horizontale und diagonale Zeichen ansichtig. Diese Arbeiten erscheinen in erster Anschauung abstrakt, also losgelöst; im Kontext der Ausstellung gewinnen sie ihr "Quellengebundensein" jedoch zurück, haben also ihren Grund. Dies gilt ebenfalls für die schöne, reduzierte Arbeit "Fixierte Zeit", die ihren Bezug eindeutig von den Gedankenprotokollen ableitet. Das zentrale Zeichen des Werkes besitzt in den Protokollen einen rein marginalen bildlichen Ausdruck mit dem Charakter eines Graffitos.

Die Arbeit "Steinzeiten" (Steinfeld-Bildfeld 1995-1998) ist das Herzstück der Installation und bildet das Zentrum der Ausstellung. Hierbei geht es um den spannenden Dialog von erinnernder Photographie und Aktualität des Steinensembles. Markus Krüger hat aus ca. 1500 Photographien, die seit Ende 1995 in verschiedenen Steinbrüchen entstanden sind, 125 Abzüge entlang der längsten Wand des großen Ausstellungsraumes installiert und davor - auf ebenem Boden- ein Feld aus unterschiedlich großen Kalksteinen in Form eines langgezogenen Rechtecks ausgelegt. Beide Medien verdanken in der Kunst Krügers ihre Existenz der Erinnerung und Sammlung. Der große Photo-Block thematisiert in vielen Detailaufnahmen Versatzstücke aus der irdisch-materiellen Welt des Steinbruchs, ohne Menschen und weitgehend ohne Maschinen. Das Arbeiten im Steinbruch selbst steht hier nicht im Vordergrund. Die "Überwelt" Steinbruch ist bewusst in kleinen Welten nachempfunden, in schwarz-weiß, um so die akzidentielle Farbe auszuschalten - das Wesentliche des Gesehenen zu filtern, war das Thema.

Geht man aufmerksam an dieser Photoserie entlang, so wird man gewahr, warum diese Steinwelt für das Künstlerauge Krügers eine solche Faszination ausübt. Es ist das fremd Anmutende unweit unserer eigenen Alltagswelt: Spuren von Abbau, Ablagerungen, Spalten, Vegetationsreste, Spiele im Sand, Zeichen im Schotter, Spuren großer Fahrzeuge. Hier machen Bilder eine Welt sichtbar, die wir eher mit der Mondoberfläche verbinden als mit einem Steinbruch.

Jenseits der Arbeitswelt im Steinbruch startete Markus Krüger eine künstlerische Expedition, die das Ziel hatte, das Fremde im Eigenen zu erkunden. Das Experiment ist geglückt, wie die Ausstellung dokumentiert. Die Installation der Steine nimmt den sehr speziellen Blickwinkel der Photographien in ganz anderer Weise auf. Die formale Anordnung der Steine, die Markus Krüger zusammengetragen hat, stellt sinnbildlich einen Weg dar, der vom Künstler gegangen wurde. Dies ist der materielle Ausgangspunkt für das Geistige in dieser Malerei. Insofern ist das Steinfeld rückblickend für die ganze Werkphase des Künstlers ein Zeichen.
Losgelöst aus ihrem Kontext erhalten die Steine so eine Überhöhung ihres eigentlich nur materiellen Wertes - im Kontext von Kunst werden sie zu Trägern immaterieller Ideen.

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Tayfun Belgin, 1998
  (Katalogtext zur Ausstellung SteinZeiten , Kunstverein Lippstadt 1998)
 





 
 
   

Im Kontext einer gestisch-ungegenständlichen Malerei entwickelte Markus Krüger in den Jahren 1985-1991 das Dreieck als tragendes Element seiner Bilder.War das Dreieck als geometrische Form in jenen Jahren noch überall im Bild vorzufinden, so hat es sich seit ca. drei Jahren immer mehr von der ursprünglichen Eingebundenheit isoliert.

Heute steht es im Mittelpunkt einer Malerei, die übrigens nie Leinwand bevorzugte, sondern immer Papier als Bildträger. Markus Krügers Umspielen des Dreiecks erfolgt seriell, d. h., dass der Künstler an einem Bildprozess interessiert ist, der eine allzu schnelle Behandlung des Themas nicht favorisiert. Vielmehr geht es dem Künstler um eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit Bildraum, Farbe und Form.

   
Tayfun Belgin, 1995
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